Donnerstag, 25. Juli 2013

Schubhaftzentrum Vordernberg

Seit nunmehr zwei Wochen arbeite ich an einem Text über das neue Schubhaftzentrum Vordernberg, in der Steiermark. Der Text beruht auf einem längeren Gespräch, das ich mit einem der Architekten geführt habe: Michael Anhammer, von SUE Architekten, die 2010 den EU-weiten Wettbewerb für diess Schubhaftzentrum gewonnen haben. Es ist eine unglaublich schwierige Aufgabe, diesen Text in Form zu bringen, bei der Sache zu bleiben, zu dokumentieren und nicht vorschnell oder gar persönlich zu werten; und zugleich aber auch nicht nur in der technisch-architektonisch-administrativen Welt von “Lösungen” zu verharren. Nun aber drängt der Abgabetermin immer mehr, und ich brauche tatsächlich auch eine gute “Lösung”; es bleibt wie auch bei kniffeligen Roman-Kapiteln nur noch die physiche Bearbeitung mit der Schere.

Dabei scheint es mir, als sieht mein Text zunehmend auch aus wie das Schubhaftzentrum, mit seiner  ambivalenten Riegel-und-Finger Struktur:

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Mittels eines Schubhaftzentrum wird “sortiert”, wer drinnen bleiben darf (in Österreich/in der EU) und wer nicht; und Textbearbeitung habe ich selten so stark als Zensur erlebt wie in diesem Fall. Es wird auch sortiert, und wie ich die Schnitte auch setze, die Entscheidung ist immer eine politische und ideologische. Es ist weniger eine Frage der Diskussion, sondern mehr eine Frage der Wechselseitigen Vereinahmungen, zwischen Gesellschaft, EU, Innenministerium, Architekten, Wirtschaft, Ort, Wertigkeit, Autorenschaft.



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Vom Modell in die Wirklichkeit. Von der Idee zum Wort zur Plan zur gesellschaftlichen und gebauten Realität. Gefangen vom Diskurs, Diskurs der Gefangenschaft. Die Begriffe, die Legitimationen und Fragen begleiten die Entstehung dieses Gebäudes, die Entwicklung der Gesellschaft, sie treiben sie mal voran und hinken ihr dann wiederum nach.

Das Schubhaftzentrum Vordernberg wird jedenfalls im Dezember dieses Jahres fertiggestellt. Und dieser Text dazu erscheint mehr oder minder zeitgleich, in der Anthologie “Riots im Gläsernen Käfig” des Literaturhaus NÖ, herausgegeben von Robert Prosser.

Bitte fragt danach, ich glaube ich war selten mit so einer ethischen Gratwanderung konfrontiert, und kann SUE Architekten nur meine Respekt zollen, dass sie der Sache nicht aus dem Weg gegangen sind; und was Michael Anhammer dazu zu sagen hat, verdient gelesen und gehört zu werden. Denn soviel steht fest: “Einfache Lösung gibt es keine.”

PK SCHUBHAFTZENTRUM IN VORDERNBERG
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Dienstag, 23. Juli 2013

Adam Curtis

Nebulöse Taschenlampen, die den Weg durch den Kalten Krieg leuchten, in die von Zahlen, Marktwirtschaft, Ungleichheit, Psychoparmaka sowie Bill Clinton und Tony Blair beherrschte Glitzer-Welt der 1990er.

 Sowie maximale apokalyptische Dringlichkeit, untermauert von YouTube-Cut’nPaste-Arial-12Pt-Ästhetik, BBC-Glaubwürdigkeit (na ja, damals, wir schreiben 2007!), und sehr solider Ideologiekritik . . . . denn der einzige Umgang mit hegemonialer Propaganda ist nicht “Objektivität”, sondern echte DIY-Gegenpropaganda . . . und als solche überzeugt diese 3-Teilige Doku-Serie von Adam Curtis auf ganzer (bzw. zumindest suggestiv flirrender) Linie, weshalb ich um 2 Uhr früh immer noch wach bin; von kybernetisch-kapitalistischen Weltverschwörungen aufs Unheimlichste und Besorgniserregendste umsponnen:






Interessant übrigens, wie Curtis die letzten hundert Jahre in diesen Dokus eigentlich zu 100% ideengeschichtlich erklärt; obwohl die reichen Eliten als klare Gewinner der “Marktdemokratien” ausgewiesen werden, kommt (in Folge 1-2) an keiner Stelle der offensichtliche Vorwurf, sie hätten sich bewusst bereichert (Auf banales Eigeninteresse kann er wohl auch deswegen schlecht mit dem Finger zeigen, da er es ja unbedingt widerlegen möchte).

Bei Curtis sind es also allein die Ideen und Ideologien, die – ironischerweise sehr ähnlich dem von ihm kritisierten “Selfish Gene” – ein ganzes eigenes Leben führen, und sich in den Institutionen wie auch den Menschen (oder zumindest bei Margaret Thatcher) auf verherrende Weise einnisten.

And I wouldn’t be inclined to disagree with him…

Mittwoch, 17. Juli 2013

Learn to Dance (with the Animal Collective)



Wer es wie ich wohl wieder nicht zu einem ImpulsTanz Workshop schafft, bekommt hier die ebenso soghafte wie empfehlenswerte Kurzfassung von Hanna Piksarv, eine estnische Künstlerin, die ich beim DORF-TV Neujahr in Linz kennenlernte, wo allerdings nicht getanzt wurde, sondern globalisierungskritischer Bohneneintopf gelöffelt, Sekt geschlürft, und halb-philosophierend, halb-halluzinierend bis vier Uhr morgens abgehangen wurde.
PS: Die psychadelischen Klänge dieses Videos sind nun endlich auch identifiziert, es ist “I Think I Can” von Animal Collective:



Sonntag, 14. Juli 2013

Saure Kost


saure_kost
Weg mit Sodoms gift’gen Früchten samt Ägyptens Fleischgerichten
Weg mit aller sauren Kost!
Süß und rein muß der Christen Passah sein
Denn aus Jesus’ Wundenhöhle rinnet den erlösten Seelen Milch und Honig,
Wein und Most.
G. Ph. Telemann